2. Flugstunden

GO!!!

Ich stehe an der Kasse einer Essotankstelle. Die Bedienung kennt mich schon. (Solche Typen wie mich merkt man sich- nicht weil ich SOOO toll bin, sondern weil Verrückte nun mal auffallen…)
Vor einer Woche war ich umgezogen, in meine neue Wohnung. Es war brütend heiß. Ich fahre also zu dieser besagten Tankstelle und kaufe zwei Flaschen Wasser…eiskalt. Die Eine setze ich an und trinke. Die Andere schütt ich mir über den Kopf. Es ist eine ziemlich lange Schlange an der Kasse. Irgendwie scheint dieses Schauspiel die Leute zu belustigen. Sie beobachten es durch die Scheibe. Ich stehe direkt vor dem Nachtschalter. Mein Gott bin ich plötzlich cool. Ich fühle mich prächtig dabei. So was nenne ich Leben. Was kümmert es mich? Die Leute haben was zu sehen und ich denke, sie bewundern mich irgendwie. (Aber vielleicht machen sie sich auch nur lustig über mich.)
Heute steh ich, wie gesagt, wieder an dieser Kasse und will meine Wegzehrung einkaufen:
– ein Sixpack Becks
– eine Flasche Rotwein
– eine Stange West
Es soll heute noch nach Polen gehen, ich habe eine wichtige Mission. Ich muss jemanden retten. (Blöderweise war mir nicht klar, dass SIE gar nicht gerettet werden wollte, immerhin hat sie mir gesagt, dass sie an der Ostsee ist. So groß ist Polen ja auch wieder nicht.)
JA…Scheiße! Meine Geldkarte geht nicht!
Das Konto ist wohl leer…
Die nächste Sparkasse ist gleich um die Ecke. Denen werd ich es zeigen!
Ein dunkler 5er BMW fährt vor…ich steige aus, gehe zum Geldautomaten und will das er mir 500,-€ ausspuckt. Nix passiert!
Nochmal Scheiße! Ich beginne innerlich zu kochen. Ich bin jahrelang Kunde, war niemals im Minus und heute ausgerechnet an diesem wichtigen Tag, bekomme ich kein Geld. Ich hatte niemals einen Dispo beantragt, aber das war mir scheißegal.
Ich will Geld und zwar jetzt. Ich will meine Mission nicht gefährden.
Also stürme ich auf die erste Mitarbeiterin der Sparkasse zu und beschimpfe sie wüst.
„Was soll der Scheiß? Ich bin…“ (Ja, wer bin ich denn???)
„Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen!“ sagt sie.
„PAH! Zum Geier! Ich will Ihren Chef sprechen!“
„Tut mir leid der ist leider in einer Besprechung.“
OK! Dann werd ich halt endgültig zur Sau!
Ich verlasse laut lamentierend die Sparkassenfiliale.
Mitten auf der Kreuzung lasse ich für alle Beteiligten gut sichtbar und demonstrativ meine Geldkarte in einen Gully plumpsen.
Die Leute schauen mir kopfschüttelnd nach. Was wollen die? Haben die nicht geschnallt wen sie vor sich haben?
Ich steig in mein Auto, fahre direkt vor dem Eingang vor…
Plötzlich gibt es ein lautes Quietschen…192PS lassen ihre Wut am Asphalt der Straße aus.
EGAL! Ich hab ja noch eine andere Geldkarte.
Ich fahre bei der Commerzbank vor. Das Schauspiel wiederholt sich. Ich fühle mich als moderner Robin Hood! Wie ignorant sind doch diese Scheißbanken. Es folgt die Deutsche und die Dresdner Bank.
Endlich habe ich es satt. Ich fahre auf die Autobahn und gebe Gummi…im CD-Player kracht die neue Linkin Park vor sich hin. Die Boxen sind bis zum Anschlag aufgedreht und der Tacho zeigt nach nicht all zu langer Zeit 200 an…
Diese Geschichte gehört ins Fernsehen!!! Denke ich mir.
Also ruf ich die Auskunft an und lass mich mit der Harald-Schmidt-Show verbinden.
Die Dame am Telefon fragt mich, ob ich Karten haben will.
„NEIN!!!“, sag ich „Ich will in die Show, ich habe eine Geschichte zu erzählen!“
Etwas amüsiert gibt sie mir eine Handynummer durch. Ich rufe an und es geht keiner ran.
Shit! …aber was solls? Ich habe Zeit!

Ich würde jetzt gern schreiben „Es zog ein Gewitter auf!“ aber da war keins. Nee! Es ist immer noch Sommer und brütend warm, kein Regen, kein Blitz, kein Donner, keine Wolke am Himmel. Naja im weitestem Sinne vielleicht doch…
Es ist abends. Ich sitze an der Theke einer Kneipe, in die ich schon immer mal gehen wollte, aber irgendwie hab ich es nie geschafft. Ich sitze also da mit einem Kumpel, den ich vielleicht vor ner Woche ca. kennengelernt habe, ein angehender BWL-Student.
Mann! Das ist praktisch. Dem kann ich als Manager und Reisepapst der Firma doch mal ein paar Takte erzählen.
Ich zücke mein Kartenspiel…
Jede Karte hatte einen von mir assoziierten Namen. Auf der Rückseite jeder Karte stand der Name einer reellen Person. Für mich war das Geschäftsleben zum Spiel geworden, es gab Trümpfe und Luschen und ich hatte alle Karten in der Hand.
Ich versuchte dieses Spiel meinem Chef zu erläutern, aber dieser Ignorant hatte natürlich keinen Sinn für meine revolutionären Ideen. Ich fand mich genial…

Also führte ich mein Geschäftsmodell dem wenigstens interessierten Studenten vor. Ich erklärte ihm jede Karte, abgesehen von der Herzdame, denn die war unterwegs nach Polen…
Ich sitze am Tresen und während er nur Bier trinkt, kipp ich den ersten Wodka hinter.
Während ich meine Ausführungen tätige, in einer angemessenen Lautstärke, (kann ruhig jeder hören was für ein toller Hecht ich bin) fasst mich plötzlich eine Frau am Arm und fängt laut an zu lamentieren…
„Was willst du von S***** nach so vielen Jahren?“. Ich hatte mich mit meiner Ex-Freundin in Verbindung gesetzt, die ich Jahre nicht mehr gesehen hatte und das Ende war auch nicht gerade rühmlich…es kommt zu einer Diskussion, meine Gegenüber merkt irgendwann, dass es absolut keinen Sinn macht weiterzureden und geht…
Nach dem Gespräch war sofort klar, ich hatte wieder eine Mission. Es war sehr früh am Morgen. Ich begann zu telefonieren, mit meiner Ex, einem Kumpel, der mich zu ihr begleiten sollte,…meinen Eltern. Ich musste jetzt unbedingt alles ein für allemal klären. Die Wichtigkeit meiner Mission sah keine Möglichkeit irgendwelche Kompromisse einzugehen. Wie konnte ich in dieser Situation Rücksicht auf die fortgeschrittene Uhrzeit nehmen (ca. 2-3 Uhr morgens)? Undenkbar!
Ich rief Gott und die Welt an…jeder sollte mir zuhören. Es war mir vollkommen unverständlich, wie es Leute geben konnte, die das nicht einsehen wollen. Während ich telefonierte, ging ich auf Umwegen nach Hause. Hätte ich mich jetzt hingelegt und geschlafen, wäre  vielleicht gar nix passiert, aber…

CUT…

„Klick – Klick“ machten die Handschellen. Mehrere Polizeibeamte halten mich fest und einer drückt mich am Kopf in einen Dienstwagen…
Halt! Was war denn passiert?
Es hat etwas mit dem vorherigen Gespräch zu tun, mit diversen nächtlichen Telefonaten, einem Fußball und einer wilden Verfolgungsjagd durch die Innenstadt. (100% sicher kann ich heute nicht mehr sagen was wirklich so abging, es war viel zu viel…die Ereignisse rasten an mir vorbei…)

Zu Hause angekommen fiel mein Blick auf einen Fußball, der ganz friedlich (noch) in einer Zimmerecke lag.
Ich kickte den Ball gegen die Wand und begann durch die Wohnung zu drippeln… irgendwie war hier aber zu wenig Platz. Also gings weiter die Treppe runter auf die Straße und von da Richtung Süden. Irgendwo da wohnte meine Ex.

Ich rannte mit dem Ball vor mir durch die City. Es war mittlerweile Berufsverkehr. Ich hielt nur noch mal kurz am Rathaus an und machte an dieser besonders geeigneten Stelle auf mich aufmerksam, indem ich den Ball solange gegen die Eingangstür donnerte, bis der Wachschutz mich „freundlich“ darauf hinwies, das sein zu lassen.
Ich flüchtete über die nächste Kreuzung (6-spurig und wie gesagt Berufsverkehr). Die Fußgängerunterführung ließ ich links liegen. Weiter gings Richtung Süden. Unterwegs bekam ich Durst, also trat ich den Ball in eine offene Kneipentür. Die Kneipe hieß „Friends“- hier war ich richtig. Ein Gast, der wohl den Ball abbekam, bot mir Dresche an. Dies lehnte ich dankend ab und weiter gings.

Plötzlich klingelte mein Handy, die Polizei war dran. Ich legte auf, rief noch kurz eine Vertrauensperson an, die stinksauer reagierte. Nachdem ich nun von der ganzen Welt allein gelassen wurde, hatte ich keine Verwendung mehr für ein Telefon. Ich legte es am Boden nieder und mit einem Tritt war die Sache erledigt.
Ich begriff, dass ich jetzt von der Polizei und der halben Verwandtschaft gejagt wurde. Also beschloss ich, mich zu verstecken, an einem total genialen Ort, nämlich in der Polizeidirektion.
Die Idee war dann wohl doch nicht so gut und plötzlich fand ich mich in dem Polizeiwagen wieder…
Ne halbe Stunde später war ich am Ende meiner Mission angelangt: Im Irrenhaus!

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